Klingt simpel, ist es realpolitisch aber nicht: Leistbares Wohnen braucht Wohnpolitik

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Klingt simpel, ist es realpolitisch aber nicht: Leistbare Mietpreise brauchen Wohnpolitik

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Vielerorts gilt als eine der größten sozialen Herausforderungen die Wohnkrise. Auch in Österreich, wo insbesondere private Mietpreise explodier(t)en, ist der Wohnungsmarkt angespannt. Hervorgerufen durch die Finanzkrise 2008 und in den vergangenen Jahren verschärft durch Teuerungs- und Coronakrise, ist die Wohnkrise mittlerweile auch für breite Teile der Bevölkerung spürbar. Nach einem coronabedingten Einbruch (Stichwort: Delogierungsstopp), steigen nun auch die Zahlen zu Zwangsräumungen, und damit das Risiko wohnungslos zu werden, wieder dramatisch an [a].

Abbildung 1: durchschnittliche Mietzinssteigerung (inkl. Betriebskosten) versus Steigerung des Tariflohnindex 2013-2023 in % basierend am Mikrozensus und der Statistik Austria
Abbildung 1: durchschnittliche Mietzinssteigerung (inkl. Betriebskosten) versus Steigerung des Tariflohnindex 2013-2023 in % basierend am Mikrozensus und der Statistik Austria
Abbildung 1: durchschnittliche Mietzinssteigerung (inkl. Betriebskosten) versus Steigerung des Tariflohnindex 2013-2023 in % basierend am Mikrozensus und der Statistik Austria
Abbildung 1: durchschnittliche Mietzinssteigerung (inkl. Betriebskosten) versus Steigerung des Tariflohnindex 2013-2023 in % basierend am Mikrozensus und der Statistik Austria

Sozialpolitik kompensiert ausbleibende Wohnpolitik – das kostet

Seit Jahren wird die große Not der Mietpreise, je nachdem wie das Sozialministerium besetzt ist, durch Sozialpolitik verhindert: Wohnschirm, Housing First, Corona-Bonus, etc. Dies sind durchaus wichtige Maßnahmen, damit Mieter*innen die Chance haben, in der eigenen Wohnung zu bleiben, ändert allerdings wenig an den Mietzinsentwicklungen. Zum Teil wandern die Leistungen gar in die Taschen von gutverdienenden Vermieter*innen.

Eine Alternative wäre eine mutige Wohnpolitik, eine, die die Gewinne von Vermieter*innen zu beschränken vermag - wohlgemerkt: beschränken, nicht einmal verhindern, und Mieter*innen sowie Geringverdiener*innen durch geringere Mietpreise entlastet. Möglichkeiten für ein Maßnahmenbündel gibt es viele (Mietpreisbremse, Leerstandsabgaben, sozial gebundener Wohnbau, …). Kurzum: Die Sozialpolitik musste und muss ausbleibende wohnpolitische Maßnahmen für jene, die sich Wohnen nicht mehr leisten können, kompensieren. Soll jedoch Wohnraum wieder leistbar werden, braucht es wohn- und nicht ausschließlich sozialpolitische Maßnahmen. Im Spätsommer diesen Jahres hat daher die Volkshilfe ein Policy Paper veröffentlicht, das Vorschläge auf unterschiedlichen politischen Ebenen unterbreitet.

 

Wohnraum als Spekulationsobjekt

Wenn die Mietpreise hoch sind, braucht es mehr Wohnungen, damit die Mieten wieder fallen. Scheint eine einfache Rechnung, ist nur leider eine sehr kurzsichtige Darstellung. Bis vor Kurzem erlebten wir geradezu einen Wohnbauboom. In den fünf Jahren 2018-2022 wurden durchschnittlich rund 71.000 Wohnungen fertiggestellt, 2005-2009 nur 49.000[b]. Sowohl die österreichische Nationalbank[c] als auch die Arbeiterkammer sprechen gar davon, dass „zu viele“ Wohnungen gebaut wurden. Für den Zeitraum 2019-2023 überstieg laut AK Berechnungen die Neubauleistung den Wohnungsbedarf um 73.500 Wohnungen. Im selben Zeitraum stiegen jedoch die Mieten privater Neumietverträge um rund ein Viertel und auch die Immobilienpreise sanken nicht [d].

Kaum jemand dürfte also in den Genuss einer Mietzinssenkung gekommen sein. Im besten Fall wurde die Mieterhöhung aufgrund der multiplen Krisen zeitweise ausgesetzt. Eine richtige bundesweite Mietpreisbremse bzw. ein Mietpreisdeckel kam spät und war für die akute Zeit quasi wirkungslos. Immer mehr fürs Wohnen zahlen war also die Folge, da konnten auch neue Wohnungen nichts dran ändern. Aber warum? Die neu gebauten Wohnungen waren nicht zur Versorgung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung geschaffen worden, sondern war die Flucht in Betongold. Denn mit Immobilienspekulationen lässt sich gut Rendite machen [e]. Bei einem Anstieg von 113% bei Immobilienpreise zwischen 2010 und 2023 werden mit Verkäufen satte Gewinne erzielt, selbst wenn die Wohnungen leer stehen [f].

 

Sozialwohnungen als Lösung?

Wir sehen also: Im Gegensatz zum sozial geförderten Wohnbau, deren Mietpreise nicht auf Gewinnmaximierung und Profite ausgelegt sind, kann ein deregulierter Markt die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung nur ungenügend erfüllen. Aktuell erschweren allerdings, durch Spekulationen angeheizte, stark gestiegene Bodenpreise die Errichtung von Sozialwohnungen. Ganz grundsätzlich wäre jedoch wichtig, Wohnraum dauerhaft sozial gebunden zu errichteten, denn die Möglichkeit zu gefördertem Eigentum ist beliebt: Seit 2013 wurden über die Hälfte aller von gemeinnützigen Bauvereinigungen errichteten Wohnungen als Eigentumswohnung oder mit Eigentumsoption errichtet [g]. Damit wird die Option eingeräumt, mittel- bis langfristig Wohnungen dem leistbaren Segment zu entziehen und am freien Markt anzubieten. Zugespitzt formuliert: Die Errichtungskosten werden sozialisiert, die Gewinne privatisiert.

Eine Leerstandsabgabe, mittlerweile eine Sache der Bundesländer, hätte das Potenzial eine Vermietung interessanter zu machen sowie auf diesem Wege zumindest ein paar leerstehende Wohnungen zu mobilisieren. Einnahmen können für die Bereitstellung von leistbarem Wohnraum verwendet werden.

 

Sanierungen am Wohnungsmarkt

Im Kontext der Klimakrise sind nicht nur leerstehende Bestandswohnungen als Ressource zu verstehen. Neu zu bauen ist energieintensiv [h]. Bereits bestehende Wohnungen energetisch zu sanieren würde nicht nur attraktiven Wohnraum schaffen ohne zu bauen, sondern hätte sowohl im ländlichen als auch im städtischen Bereich noch viele weitere Vorteile:

  • Leerstehende Wohnungen in Ortszentren energetisch zu sanieren, hat das Potential diese wieder zu beleben. Umgekehrt werden sich Nahversorger, Dienstleistungsunternehmen oder Lokale wieder rascher ansiedeln, wenn das Ortszentrum stärker bewohnt ist.
  • Gleichzeitig wird damit Zersiedelung entgegengewirkt. So kann einerseits aktiv der „Bedarf“ nach Versiegelung (jedes neue Haus braucht eine Anbindung) reduziert werden, andererseits sinkt aber auch der Bedarf an motorisierter Mobilität, wenn Cafes oder Geschäfte alltäglichen Bedarfs wieder fußläufig erreichbar sind.
  • Schließlich senkt energetische Sanierung sowohl den Bedarf an Energie, und damit zunehmende Kosten für Strom, Warmwasser und Heizen, als auch Wohnprobleme wie Lärm.

Diese Strategie muss berücksichtigen, dass mit jeglicher Aufwertung auch Verdrängung bestehender Mieter*innen, sogenannte Gentrifizierung, einhergehen kann. „Grüne Gentrifizierung“[i][j] darf nicht Wohnraum für Mieter*innen noch weniger erschwinglich machen. Geringverdiener*innen profitieren nur, wenn sie sich nach der Aufwertung die Wohnung immer noch leisten können. Förderungen für Bestand sollten daher mit den Bedingungen verbunden werden, Mietpreise sozial zu binden und sie zu begrenzen.

 

Forderungen der Volkshilfe

  • Aufstockung und Zweckwidmung der Wohnbauförderung, damit das Geld auch für Wohnraum und nicht für Kreisverkehre verwendet wird.
  • Recht auf Kauf sozial geförderter Wohnungen zurückdrängen, damit sozial gebundener Wohnbau nicht schleichend abhandenkommt.
  • Bestandswohnungen energetisch (und sozial) sanieren, damit Energiekosten sinken und Ortskerne eine zweite Chance erhalten.
  • Eine mutige Bodenpolitik, die sozial geförderten Wohnbau Vorrang und damit eine reelle Chance gegen Profitinteressen von Banken und Unternehmen einräumt.
  • Vereinheitlichung und Verschärfung des Mietrechts, inkl. der Abschaffung befristeter Mieten, damit Mieter*innen keine Wohnrechtsexpert*innen sein müssen, um die Angemessenheit ihrer Miethöhe zu erkennen und nicht kurz vor Ende jeder Befristung zittern müssen.
  • Die Einführung eines Wohnungssicherungsgesetz, das sicherstellt, dass Mieter*innen in finanzieller Not rasch, niederschwellig und aufsuchend von Profis unterstützt werden.
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Florian Eder, BA MA MA

Referent für Wohn- und Sozialpolitik mit Schwerpunkt Wohnungs- und Energiesicherung.

  F.Baumgarten@volkshilfe-wien.at

Quellen

[a] Moussa-Lipp, S. und Baumgarten, F., 2024. Wohnungsnot und Delogierungswahnsinn. Online verfügbar unter https://www.awblog.at/Soziales/Wohnungsnot-und-Delogierungswahnsinn

[b] Quelle: Statistik Austria, Baumaßnahmenstatistik online verfügbar unter https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/wohnen/baufertigstellungen

[c] Österreichische Nationalbank (2023): Immobilien aktuell. Die Immobilienmarktanalyse für Österreich. Q4/22.

[d] Ritt, T. und Tockner, L. (2024): Wohnen muss wieder leistbar sein. In: A&W Blog, online verfügbar unter https://www.awblog.at/Allgemein/Wohnen-muss-wieder-leistbar-sein

[e] Holm, A., 2022. Objekt der Rendite. Zur Wohnungsfrage, oder: was Engels noch nicht wissen konnte. Berlin: Karl Dietz Verlag.

[f] Jüngling, L., 2024. Bau-Konjunkturpaket: Fokus auf sozialen Wohnbau notwendig. Online verfügbar unter https://www.momentum-institut.at/news/bau-konjunkturpaket-fokus-auf-sozialen-wohnbau-notwendig

[g] GBV (2023): Verbandsstatistik 2023. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft in Zahlen.

[h] Jany, A., M. Bukowski, G. Heindl und K. Kreissl (2023): Wohnen. In: Görg, C., V. Madner, A. Muhar, A. Novy, A. Posch, K. W. Steininger und E. Aigner (Hrsg.) APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben. Springer: Berlin/Heidelberg.

[i] BMSGPK (2021): Soziale Folgen des Klimawandels in Österreich. Wien.

[j] Weißermel, S. und Wehrhahn, R. (2024): Climate-just housing: A Socio-spatial Perspective on Climate Policy and Housing. In: Int J of Urban and Regional Research, 1-22.